Donnerstag, 14. Juli 2011

Nochmals vom Papste und seinem Besuch in Berlin.

Mein Weg zur Taufe wurde zu großen Teilen von Papst Benedikt XVI. eingeleitet, jenem Panzerkardinal, dessen "erzreaktionäres" Wesen ihn dazu befähigte, einen Liebesbrief an mich (und nicht nur an mich) zu verfassen, wie ihn kein Mensch bisher zu schreiben in der Lage war.

Es mag traurig oder einsam klingen, das das Antrittslehrschreiben eines alten Mannes einen derartigen Eindruck hinterlässt, sagt aber etwas aus über das (Un-)Verständnis von "Liebe", das in weiten Teilen meiner Generation herrscht (Ob ich in dieser Hinsicht besser bin, diese Frage sei zunächst dahingestellt).

Das in seiner Analyse hervorragende, in seiner Conclusio schlicht daneben liegende Manifest Der kommende Aufstand hat für diesen Mangel an Liebesfähigkeit die treffenden Worte gefunden:

Er rennt auf einem Laufband vor dem Spiegel in seinem Fitnesscenter. Sie fährt am Steuer ihres Smart von der Arbeit nach Hause zurück. Werden sie sich treffen? (...)

Das Paar ist wie die letzte Stufe des großen, gesellschaftlichen Debakels. Es ist die Oase in der Mitte der menschlichen Wüste. In ihm wird unter dem heiligen Schutz »des Intimen« all das gesucht, was so offenkundig alle zwischenmenschlichen Beziehungen heutzutage verlassen hat: die Wärme, die Einfachheit, die Wahrheit, ein Leben ohne Theater und Zuschauer. Aber ist der Liebestaumel vorbei, dann lässt die »Intimität« die Hosen runter: Sie ist selbst eine soziale Erfindung, sie spricht die Sprache der Frauenzeitschriften und der Psychologie, sie ist wie der Rest bis zum Erbrechen voll mit Strategien. Es gibt darin nicht mehr Wahrheit als irgendwo sonst, denn auch hier herrschen die Lüge und die Gesetze der Fremdhaftigkeit. Und wird sie darin gefunden, glücklicherweise, diese Wahrheit, dann ruft sie ein Teilen hervor, das der Form des Paares selbst widerspricht. Denn das, wodurch die Menschen sich lieben, kann auch das sein, was sie liebenswert macht, und was jede Utopie des Autismus zu zweit zerstört.

Als ich (freilich Jahre zuvor) Deus caritas est das erste Mal las, ließ mich der schüchtern um Verständnis für seine Sache werbende Text berührt zurück.
Wer schreibt so und warum, habe ich mich damals gefragt als es mir noch fern lag, einmal katholisch zu sein.

Sicher, an Sentimentalitäten sollte man sich nicht allzu lange aufhalten, doch was hier formuliert wird, ist mehr: Es ist eine Revolution!

Welch' große Handlungsfähigkeit wird hier jenseits politischer Gräben ermöglicht:
Er hat uns zuerst geliebt und liebt uns zuerst; deswegen können auch wir mit Liebe antworten. Gott schreibt uns nicht ein Gefühl vor, das wir nicht herbeirufen können. Er liebt uns, läßt uns seine Liebe sehen und spüren, und aus diesem ,,Zuerst’’ Gottes kann als Antwort auch in uns die Liebe aufkeimen.
...
Wenn die Berührung mit Gott in meinem Leben ganz fehlt, dann kann ich im anderen immer nur den anderen sehen und kann das göttliche Bild in ihm nicht erkennen. Wenn ich aber die Zuwendung zum Nächsten aus meinem Leben ganz weglasse und nur ,,fromm’’ sein möchte, nur meine ,,religiösen Pflichten’’ tun, dann verdorrt auch die Gottesbeziehung. Dann ist sie nur noch ,,korrekt’’, aber ohne Liebe. Nur meine Bereitschaft, auf den Nächsten zuzugehen, ihm Liebe zu erweisen, macht mich auch fühlsam Gott gegenüber. Nur der Dienst am Nächsten öffnet mir die Augen dafür, was Gott für mich tut und wie er mich liebt.


So können uns diejenigen, die so scharf gegen den Besuch des Papstes im September protestieren wollen, sehr viel über das Fehlen, das Versagen der Kirche in Bezug auf den Kern unseres Glaubens sagen.
Die in wesentlichen Punkten der öffentlichen Diskussionen weggeduckten Bischöfe (Bei allem Respekt, wer würde dem hier auch nur den Ball abkaufen, den er zu dieser Gelegenheit in den Händen hält?), biedermeierliche BRD-Frömmigkeit sicherlich wohlmeinender Priester und Predigten, die zwar Hoffnung verbreiten möchten, aber nicht den Sprung aus den Sprach- und Glaubensbildern der wohlständigen 70er-Jahre schaffen, so dass ich mich nicht wundere, dass derlei Indifferenz die Wut und das Unverständnis der Kirchen-Gegner herausfordert.

Es gäbe so viel zu sagen, zu erläutern und klären...
Schließlich, so schreibt der Berliner Medienwissenschaftler Norbert Bolz in Das Wissen der Religion:

Es gibt keine Persönlichkeit ohne Transzendenz. Der ganz Andere (...) ist uns innerlicher als wir uns selbst.
Gebildete Leser werden diesen Satz spontan dem klügsten aller Psychoanalytiker, Jacques Lacan, zuschreiben; er stammt aber aus der Feder von Papst Benedikt XVI. Christlicher, also metaphorischer formuliert heißt das: Der Exodus des Herzens ist der dialektische Kern des Glaubens. Man kommt nur zu sich im Auszug aus sich selber.

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